Schusterfleck, Rosalie (1865)
Schusterfleck, Rosalie, Spottname für die mehrere Male gleich nacheinander erfolgende Versetzung oder Rückung einer Melodie auf die nächsthöhere oder tiefere Tonstufe. Am trivialsten sind diese Rückungen, wenn sie aufwärts steigen und innerhalb desselben Tongeschlechtes (Dur oder Moll) bleiben, weil sie alsdann einander melodisch völlig ähnlich sind, und dieselbe harmonische Rückung (Septimenmodulation, der sie auch wohl den Ursprung verdanken) mehrere Male sich wiederholt (Beispiel a). Abwärtsschreitend, und wenn das Tongeschlecht wechselt, vollständige melodische Ähnlichkeit in Bezug auf die Lage der Halbtöne also nicht mehr vorhanden ist, wird man sie leidlicher finden; will man in Beispiel b) dem letzten Takte eine etwas andere melodische Wendung geben, so ist kaum noch etwas dagegen einzuwenden; namentlich im kirchlichen Stil, allerdings nicht der höchsten Art, findet man solche Rückungen wie diese unter b) häufig genug.
Erfolgt die Versetzung nur einmal, oder wenn auch noch ein zweites Mal, so doch auf einem anderen Intervall und melodisch nicht völlig ähnlich, oder abwechselnd auf- und abwärts, so kann sie unter Umständen ganz leidlich sein. Weil aber namentlich die steifen stufenweisen auf sehr billiger Septimenmodulation beruhenden Rückungen von Komponisten, die mit ihren Gedanken nichts besseres anzufangen wussten, bis zum Ekel verbraucht worden sind und immer eine gewisse Armut an Wendungen bekunden, hat man sie durch allerhand Spitznamen lächerlich zu machen gesucht und unter andern auch Schusterfleck genannt, weil der Satz ebenso stufenweise aufeinandergepappt ist wie die Lederflecke eines Stiefelabsatzes.
Der Spottname Rosalie stammt von einem alten italienischen Volksliede Rosalia cara mia, in dem diese Rückungen in gröbster Weise auftreten. Die Melodie steht in der Allg. Mus. Zeitung 1814, S. 836. Vergleiche auch die ebenda angezeigten Verm. Schriften von Schubart, Zürich 1812, I. 210. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 748]