Musiklexikon: Was bedeutet Saiten?

Saiten (1840)

Saiten sind, wie in Blasinstrumenten die schwingende Luftsäule, das tonerregende Element. Die Erfindung, durch die Schwingungen aufgespannter Schnüre oder zusammengedrehter Därme oder getrennter Sehnen von Tieren Töne hervorzubringen, verliert sich in das graueste Altertum. Die von Appolodor angeführte Sage darüber findet man im Artikel Lyra. Die Saiten sind entweder Darmsaiten, Drahtsaiten oder übersponnene Saiten. Auch hat Baud in Versailles versucht, Saiten aus Seide zu verfertigen, doch haben sie, selbst mit Kupfer- oder Silberdraht überzogen, nur einen schwachen Ton erzeugt. Von dem Grundsatze ausgehend, dass nicht die Dehnbarkeit, sondern die Zähigkeit des Metalls den Ton bestimmt, hat F. F. Fischer in Frohburg zur Erlangung einer größeren Klangwirkung Platinasaiten empfohlen und die Erfahrung mitgeteilt, dass ein Eisendraht von 3/10 Linie Dicke und 2 Fuß Länge schon von 60 Pfund und 12 Unzen Gewicht zerriss, während ein Platinadraht von 886561/1000000 Linien Durchmesser ein Gewicht von 225 Pfund zu tragen vermochte. Doch wäre die Anwendbarkeit schon durch die ungeheuren Kosten des vorgeschlagenen Materials fast unmöglich, wenn sich auch die Zweckmäßigkeit in anderer Hinsicht genügend erweisen ließe. Von der Widerstandskraft eines Fortepiano erhält man einen Begriff, wenn man bedenkt, dass eine jede Saite darin 50 bis 60 Pfund Ziehkraft ausübt. [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 392]

Saiten, Cordes, Strings (1882)

Saiten (lat. cordae, ital. corde, franz. cordes, engl. strings) nennt man alle fadenförmigen, elastischen Körper, welche zur Tonerzeugung auf die nach ihnen benannten Tonwerkzeuge [Saiteninstrumente] gespannt werden. Sie werden aus verschiedenem Material verfertigt: aus Därmen von Schafen, vorzugsweise Lämmern, aber auch von Ziegen, Gemsen, Rehen und sogar von Katzen; aus verschiedenen Metallen wie aus Seide, Pflanzenfasern u. dgl. [Reissmann Handlexikon 1882, 458]

Saiten (1882)

Saiten. Die Saiten unsrer Musikinstrumente sind entweder Darmsaiten, die aus Därmen (besonders Lämmerdärmen) gedreht werden, oder Metallsaiten (früher Messing- oder Kupferdrahtsaiten, auch wohl aus Eisen geschmiedete, jetzt aus Gussstahl gezogene). Beide Arten werden zur Erzielung tieferer Töne ohne die dafür erforderliche Länge künstlich beschwert durch das sog. Überspinnen. Stahlsaiten werden mit ziemlich starkem Kupferdraht dicht umwickelt, Darmsaiten in der Regel mit Silberdraht übersponnen. Auch mit Silber besponnene Saiten, deren Einlage Seidenfäden bilden, kommen zur Anwendung (bei der Guitarre und Zither). [Riemann Musik-Lexikon 1882, 794]

Saiten (1802)

Saiten. Die Erfindung, durch die Schwingungen aufgespannter Schnuren oder ausgetrockneter Därmer [sic] oder Sehnen von toten Tieren Töne hervorzubringen, verliert sich in dem grauesten Altertume der Vorzeit. Die wahrscheinlichste Veranlassung zu dieser Erfindung ist schon in dem Artikel Lyra angezeigt worden. Ohne Zweifel gaben diese schon bekannten Saiten in der Folge auch die Veranlassung, sie von Metall zu verfertigen. Sowohl von den Darm- als [auch] Drahtsaiten ist in besonderen Artikeln das Notwendigste erinnert worden.

Hier ist aber nur noch zu bemerken, dass vor einigen Jahren der Bürger Baud zu Versailles die schon vorher bekannten und aus dem Gespinnste des Seidenwurmes verfertigten, aber zu einem guten Tone ganz unbrauchbaren Saiten vervollkommnet habe. Nach den ersten sich darüber verbreiteten Nachrichten sollten sie, ohne anderer Vorteile zu gedenken, ebenso wohlklingend und haltbarer sein, als die besten Darmsaiten. Die Sache machte so viel Aufsehen in Frankreich, dass das National-Institut für Musik dem bekannten Tonkünstler Gossec den Auftrag gab, den Wert dieser Saiten genau zu untersuchen. Man hat auch nicht unterlassen, davon einige Proben nach Deutschland kommen zu lassen. Das allgemeine Stillschweigen darüber lässt aber wenigstens vermuten, dass sie die erregte Erwartung nicht befriedigt haben. [Koch Musikalisches Lexikon 1802, 1285f]

Saiten aus Seide (1799)

1799, Meldung in Allgemeine Musikalische Zeitung:

Neuerfundene französische Saiten. Der Bürger Baud in Versailles - ein Mann von mannigfaltigen, besonders musikalischen Kenntnissen - hat vor einiger Zeit Saiten von Seide zu spinnen erfunden, und zuerst für die Harfe von ihnen Gebrauch gemacht, jetzt aber dieselben überhaupt an der Stelle aller Darmsaiten benutzt. Die Nachrichten, welche uns bis itzt über diese Erfindung zugekommen und durch gültige Zeugnisse bestätigt worden, sind folgende:

"Die Genauigkeit, womit die stärkeren Saiten übersponnen sind, zeichnet sie vorerst sehr vorteilhaft aus. Die äußerst einfache Maschine, welche diese Genauigkeit möglich macht, ist gleichfalls das Werk des Erfinders. Noch bemerkenswerter sind die nicht übersponnenen Saiten. Sie sind ebenso wohlklingend, als die Darmsaiten, ertragen bei gleicher Stärke mit diesen eine größere Spannung, ohne zu reißen; sie sind für die Veränderung der Luft weniger empfindlich, verstimmen sich also nicht so leicht, als jene; sie reißen nie, als durch sehr langen Gebrauch, und werden nie falsch - wie sich die Spieler ausdrücken - was bei den besten Darmsaiten oft der Fall ist. Alle diese Vorteile sind durch vielfältige Versuche bestätigt. Da der Erfinder mehrere vollkommen sich gleiche Saiten auf seiner Maschine spinnen kann, so dienen sie auch vorzüglich für Instrumente, welche den Unisonus verlangen, und welche bisher vernachlässigt wurden, weil es so schwer ist, vollkommen gleiche Darmsaiten zu finden. Die Guitarre ist eins dieser Instrumente. Endlich so haben diese neuerfundenen Saiten noch den Vorteil, dass sie nicht, wie die Darmsaiten, durch Alter schlechter, sondern von Zeit zu Zeit besser werden."

Die Sache hat in Frankreich so viel Aufmerksamkeit erregt, dass das Nationalinstitut für Musik dem berühmtem Mitgliede desselben, dem Bürger Gossec, Auftrag gegeben hat, die Sache genau zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten. Sobald dieser Bericht abgelegt ist, werden wir ihn erhalten und zugleich unseren Lesern im Auszuge mitteilen. Auch wird unsre Verlagshandlung einen Depot dieser Saiten aller Art und für alle Saiteninstrumente, welche wie die Harfe oder Guitarre gespielt werden (Instruments à percusion), von dem Erfinder erhalten, so dass sie also bei ihr in Zukunft zu haben sein werden. Einige kline Versuche, welche wir mit einigen eingesandten Proben gemacht haben, bestätigen die ausgeführten Nachrichten. [Allgemeine Musikalische Zeitung, 1. Jg., Leipzig 1799, S. 522f]