Quint (1865)
Quint, ein Intervall, welches fünf Stufen umfasst und in drei Gattungen erscheint: vollkommen (rein), vermindert und übermäßig.
a) Die vollkommene oder reine Quint besteht aus drei ganzen und einem großen halben Ton, f-c, c-g etc. Bei der Erzeugung der Töne durch Saitenteilung entsteht sie als dritter Ton, unmittelbar nach der Oktav, an zwei Drittteilen der Saite des Grundtons, sonach ist ihr Schwingungsverhältnis 3:2. Dass sie das Medium harmonicum der Oktav ist, diese durch die Quint harmonisch geteilt wird, ist im Artikel Quart bemerkt. Nächst der Oktav ist sie vollkommenste Konsonanz und verträgt daher weniger Abweichung von ihrer Reinheit als die unvollkommenen Konsonanzen. Daher weicht auch im gleichschwebend temperierten Tonsystem die Quint unter allen temperierten Intervallen (also die Oktav ausgenommen, welche nicht temperiert werden darf, weil sie keine Abweichung von der natürlichen Reinheit verträgt) am wenigsten von der ursprünglichen Reinheit ab. Näheres hierüber siehe Temperatur.
In der Harmonie ist die reine Quint von großer Bedeutung. Zuerst ist sie wesentlicher Bestandteil des Dreiklanges, dessen Beschaffenheit als konsonierender oder dissonierender Akkord von der Beschaffenheit der Quint abhängt. Nur in den beiden in der Natur des Tones begründeten vollkommenen Dreiklängen, dem Dur- und Molldreiklange, ist die Quint eine reine, alle anderen Dreiklangsbildungen werdn durch die Natur ihrer verminderten oder übermäßigen Quint als dissonierende oder unvollkommene Dreiklänge bestimmt. Zweitens gründet sich die Verwandtschaft der Tonarten unseres modernen Tonsystems auf das Quintverhältnis, indem die Ober- und Unterquint der Tonart (F-c-g) Grundton zweier zur Haupttonart im nächsten Verwandtschaftsgrade stehenden Tonarten sind, deren erste, die Oberdominanttonart, auf der Quint der Haupttonart beginnt, und deren zweite, die Unterdominanttonart, auf der Unterquint anhebend, die Tonika des Haupttones zur Quint hat.
Die drei Dreiklänge der Tonika, Ober- und Unterquint, F-A-C_C-E-G_G-H-D, sind der Inbegriff dessen, was wir Tonart nennen. Der tonische Dreiklang allein bringt die Tonart noch nicht zu hinlänglichem Ausdruck, die beiden Akkorde der Ober- und Unterquint sind hierzu ebenfalls erforderlich. In nächster Beziehung zur Tonika aber, also in noch näherer als die Unterquint, steht die Oberquint, ihr Akkord kommt nicht nur am häufigsten als Hauptakkord der Tonart vor, sondern ist auch, den Leitton als Terz enthaltend, allein geeignet, in Verbindung mit dem tonischen Dreiklange den vollkommenen Ganzschluss zu machen. Deshalb hat man ihr den Namen Dominant, als herrschender Saite der Tonart, beigelegt. Die Unterquint (Unterdominant genannt) steht, als eigentliche Quart der Tonart, der Tonika nicht so völlig nahe, ihr Akkord kommt nicht so häufig vor, und die Modulation pflegt mehr nach der Dominant- als Unterdominantseite sich zu neigen.
Von der Fortschreitung der reinen Quint und der bekannten Regel, dass zwei reine Quinten in gleichen Stimmen und paralleler Bewegung miteinander nicht fortschreiten dürfen, ist unter Fortschreitung der Intervalle ausführlich gehandelt.
b) Die verminderte Quint, Quinta deficiens, falsa (falsche Quint), diminuta, deficiente scarsa, besteht aus zwei ganzen und zwei großen halben Tönen, h-f, fis-c, im reinen Verhältnis 64:45. Als Quint eines Dreiklanges erscheint sie nur im verminderten Dreiklange, und zwar am häufigsten in dessen Sextakkord als kleine Terz des Basstones. In diesem Falle braucht sie, ihres wenn auch dissonierenden oder wie Einige wollen zwischen Konsonanz und Dissonanz schwebenden, so doch jederzeit leicht fasslichen Verhältnisses wegen, nicht vorbereitet zu werden, auch erfolgt ihre Auflösung, namentlich in Mittelstimmen, häufig aufwärts in die Quint des Dreilanges, statt abwärts, d-d-f-h - c-e-g-c'; desgleichen auch in der Oberstimme etwa in folgender Modulation: d-h-f' - e-b-g'. Ebenso kann sie im nächsten Akkorde liegen bleiben und dann auf- oder abwärts gehen: H-D-F, A-D-F - A-Cis-G (A-Cis-E). Im Quintsextakkorde, z. B. H-g-d'-f', ist ihr oberes Glied die Septime des Akkordes, sowohl gegen den Bass als auch gegen den Grundton des Akkordes (g [siehe Abb. unten]) dissonierend, demnach in strenger Schreibart der Vorbereitung und Auflösung um eine Stufe abwärts benötigt, während sie in freier Schreibart sehr häufig nicht nur frei eintritt, sondern auch abweichend aufgelöst wird.
Es folgen noch einige Akkordfortschreitungen, in denen die verminderte Quint zwar regulär abwärts geht, durch den Bassgang aber andere Verhältnisse entstehen als die, in welche sie gewöhnlich sich aufzulösen pflegt.
- In die Sext, Beispiel 1a (sehr gewöhnlich) und b; der Bass fällt eine große oder kleine Terz.
- In die Oktav (1c); der Bass steigt eine Quart.
- In die übermäßige Quart (1d); der Bass fällt eine Sekund, indem sein eigentlicher Auflösungston c übergangen wird.
- In eine verminderte Quint als Wechselnote (1e).
- In die Septime (1f, statt wie unter 1g). Auflösung aufwärts (1h).
c) Die übermäßige Quint (Quinta abundans, superflua, maggiore), z. B. c-gis, umfasst vier ganze Töne, nämlich zwei große und zwei kleine, oder zwei große Terzen; ihr reines Verhältnis ist 25:16. Als Akkordton kommt sie nur III+ der Molltonart vor und ist auch hier nur eine Folge des erhöhten Leittons und nur als auf melodischem Wege entstandenes Intervall anzusehen. Ihre Auflösung erfolgt, der Natur übermäßiger Intervalle gemäß, eine halbe Stufe aufwärts. Das Nähere siehe Dreiklang. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 714f]