Motive (1882)
Motive nennt man in der Musik wie in der Architektur die letzten charakteristischen Glieder eines Kunstgebildes.
Man spricht zunächst von rhythmischen Motiven, zum Beispiel ist das rhythmische Hauptmotiv des ersten Satzes der A-Dur-Symphonie von Beethoven
das des ersten Satzes der C-Moll-Symphonie
Nicht immer decken sich rhythmisches Motiv und Metrum wie hier, das rhythmische Motiv kann zum Beispiel zweiteilig sein bei dreiteiliger Taktart etc., dann treten durch das Metrum bedingte verschiedenartige Akzentuierungen des Motivs ein, zum Beispiel bei Beethoven (Sonate Op. 14, 2):
wo die Akzentuierung
notwendig ist (vergleiche Metrik und Rhythmik), da das rhythmische Motiv in der Phrasierung herausgehoben, vor allem aber erst der Takt kenntlich gemacht werden muss.
Melodische Motive nennt man im Verlauf eines Themas mehrfach wiederkehrende Stimmschritte, welche dem Thema ein charakteristisches Gepräge geben. Dieselben sind besonders bei Variationen von Bedeutung, da sie bei Veränderung des Taktes und der Rhythmik die eigentlichen Repräsentanten des Themas sind.
Endlich unterscheidet man noch harmonische Motive, d. h. Akkordverbindungen, die transponiert in anderen Tonlagen wiederkehren und wie die rhythmischen und melodischen Motive als lebendige Glieder des Kunstgefüges hervortreten.
In den seltensten Fällen aber arbeiten die Komponisten mit Motiven, die nur in einer Hinsicht charakteristisch sind. Besonders pflegen Melodik und Rhythmik sich zu verbinden, während die harmonische Behandlung der Motive wechselt.
Motive ausgeführterer Arten, d. h. nicht mehr kleinste Glieder thematischer Bildung, sondern eigentlich schon selbst Themen, zusammengesetzt aus einer Anzahl einfacher Motive, sind die sogenannten Leitmotive (siehe dort). [Riemann Musik-Lexikon 1882, 605]