Menuett (1877)
Menuett (französisch: le Menuett [sic], italienisch: il Minuetto), ein älterer Tanz aus Frankreich, nach Mattheson (Orchester I, S. 193) aus der Provinz Poitou herstammend, der dort namentlich im 17. Jahrhundert schon sehr beliebt war und auf die französische Oper von Einfluss wurde. Wie die meisten Tänze früherer Jahrhunderte, ist auch die [sic] Menuett ein Reihen-, kein Rundtanz, und wurde demnach gravitätisch gegangen und nicht, wie die Rundtänze, gesprungen. Doch waren die Pas ebenso genau vorgezeichnet. Es ergab dies für die begleitende Musik einen dreiteiligen Doppeltakt, als rhythmisches Motiv, das dann ebenso wie bei allen übrigen Tänzen zu einem ersten und zweiten Teil verarbeitet wurde.
Mattheson gibt in "Der vollkommene Kapellmeister" (Hamburg, 1739, S. 224) ein treffendes Beispiel für die Konstruktion dieses Tanzes, weshalb es hier stehen möge:
Bei seiner Erläuterung legt er besonders auf die Wiederholung des ersten Taktes im fünften Gewicht.
Wie die meisten Tänze der früheren Jahrhunderte, wurde die Menuett auch als Gesang behandelt, und als sie dann auch als selbstständiges Instrumentalstück weitergebildet wurde, suchte man sie dadurch künstlerisch zu erweitern, dass man ihr noch eine zweite Menuett, Menuetto secondo, anfügte, der dann wieder die erste folgte. Diese zweite wurde später als "Trio" dem ganzen noch fester eingefügt. Dies ist rhythmisch ganz ebenso konstruiert, nur im Charakter abweichend, die eigentliche Menuett ergänzend. So wurde die Tanzform in die Suite aufgenommen und bildete dann einen wesentlichen Bestandteil der Cassatio [Kassation bzw. Cassazione] oder Serenade und ging von da in die Sinfonie und Sonate, wie beide seit Haydn sich entwickelten, über.
Dieser Meister hat ihren Charakter insofern verändert, als er ihr die ursprüngliche gravitätische Würde abstreifte und sie mehr lebhaft und lustig gestaltete. Sie wurde so als rechter Gegensatz zwischen Allegro und Andante gestellt. Mozart erfasste diese Tanzform noch mehr ihrem ursprünglichen Charakter gemäß. Bei ihm ist die Grazie vorwiegend und diese ist noch verbunden mit überquellender Innigkeit und dem Glanze seiner heiteren Lebensanschauung. Bei Haydn erscheint die Menuett in volkstümlicher Umgestaltung, er ersetzt die Grazie durch die ungebundene Lust, die Innigkeit durch übersprudelnde Laune. Beethoven knüpfte zunächst an diese Auffassung an, sie zugleich mit der Mozarts verbindend. Auch in Beethovens Menuetten lebt die reinste, ungebundene Lebenslust, aber in der Regel ist das Trio zugleich erfüllt mit der höchsten Innigkeit und Weichheit seiner Individualität, und dies gibt der die Menuett bewegenden Stimmung höhere Bedeutung, so dass diese notwendig erweitert werden musste. Der Meister hält nur noch die ursprüngliche Form der Menuett in ihren Grundzügen bei, er erweitert sie dann zu jenem Scherzo, in welchem nicht nur die bunte Lust des Lebens, sondern der ganze, in der mannigfachsten Weise sich äußernde Humor desselben in überwältigender Macht zur Erscheinung gelangt. Die engen Pas der Menuett erweitern sich in schwindelerregenden Dimensionen, das Scherzo stürmt in geflügelten Schritten einher, nach so weiten Maßen geordnet, welche die Menuett bisher nicht kannte. So wurde die Menuett, die einfache Tanzform, zu einer hochbedeutsamen, gewaltig wirkenden Instrumentalform. [Mendel/Reissmann Musikalisches Lexikon 1877, 132f]