Musiklexikon: Was bedeutet Leitton?

Leitton (1802)

Leitton. Es gibt in jeder Tonleiter gewisse Töne, die, wenn man in der Melodie unter gewissen Umständen auf sie stößt, ohne Beleidigung des Ohres in keine andere als in die unmittelbar darüber oder darunter liegende Stufe treten können. Diese Töne nennt Sulzer Leittöne, weil sie das Ohr auf gewisse andere Töne hinleiten oder das Gefühl derselben im Voraus erwecken. Zu diesen Leittönen gehören

  1. die große Septime, die, besonders wenn in der Harmonie die vierte Stufe der Tonleiter damit in Verbindung gebracht worden ist, in die Oktave treten muss, wie zum Beispiel der Ton h in folgendem Satz:
    Leitton (Koch 1802)

    Leitton h als große Septime in C-Dur

  2. die vierte Stufe der Tonleiter, wenn sie die Septime des Dominantakkordes oder ein Intervall eines durch die Umkehrung davon abstammenden Akkordes ist, zum Beispiel:
    Leitton (Koch 1802)

    Leitton f als Septime des Dominantakkordes G in C-Dur

  3. alle zufällig erhöhten oder erniedrigten Töne der Tonart; in diesem Fall verlangt jederzeit das Ohr bei dem zufällig erhöhten Tone die unmittelbar darüber liegende, bei dem erniedrigten Ton aber die unmittelbar darunter liegende Stufe zu hören, zum Beispiel:
    Leitton (Koch 1802)

    Leittöne

[Koch Musikalisches Lexikon 1802, 898f]

Leitton (1882)

Leitton heißt ein zu einem anderen hinleitender, denselben in der Erwartung anregender Ton, vorzugsweise der einen Halbton unter der Tonika gelegene (Subsemitonium modi, franz.: Note sensible, engl.: Leading note), zum Beispiel h in C-Dur, fis in G-Dur etc. Der Leitton dieser Art ist immer die Terz der Oberdominante.

Es gibt aber noch eine andere Art von Leitton, die ebenso wichtig ist wie das Subsemitonium, nämlich der Leitton von oben, das Suprasemitonium. Jedes oder , welches einen Ton des tonischen Dreiklangs selbst oder eines der Dominantakkorde erhöht resp. erniedrigt, führt einen Ton ein, der als Leitton wirkt, d. h. einen Halbtonschritt nach oben (♯) oder nach unten (♭) erwarten lässt. So wirkt in C-Dur ein fis als Leitton zu g, ein b als Leitton zu a, dis als Leitton zu e, des zu c usw.

Das akustische Verhältnis des Leittons zum folgenden Ton ist stets 15:16 oder 16:15, d. h. das des 15. Obertons (des 5. vom 3., d. h. der Terz der Quinte) resp. des 15. Untertons (der Unterterz der Unterquinte) zum Hauptton, dem 16. Ober- oder Unterton, zum Beispiel c (g) h oder c (f) des. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 516]

Leitton (1840)

Leitton wird im Allgemeinen jeder Ton genannt, der in Verbindung mit anderen ein Verlangen der Auflösung in einen zunächst darüber oder darunter liegenden halben Ton in den Hörern erweckt. Es sind dies alle zufällig erhöhten oder erniedrigten Töne und vorzüglich die große Septime des Grundtones und die kleine Septime im Dominantakkord. Vorzugsweise der großen Septime, dem Unterhalbton (subsemitonium modi), als der Note, durch welche sich eine Tonart von einer anderen wesentlich unterscheidet und deren Eintritt oder Modifizierung das Gefühl der neuen Tonart im Voraus erweckt, legten die Franzosen den bezeichnenden Namen der empfindlichen bei, Note sensible (Beispiel siehe unter Septime). [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 273]

Leitton (1879)

Leitton, im allgemeinen Sinne ein Ton, der, wenn er unter gewissen Verhältnissen zur Tonart in der Melodie oder Harmonie auftritt, eine bestimmte Fortschreitung je nach seiner Natur in die nächst höhere oder nächst tiefere Stufe fordert. Dahin gehören zum Beispiel die große Terz und die kleine Septime im Dominantseptimenakkord (wenn auf diesen der Akkord der Tonika folgt), die Quinte im übermäßigen Dreiklang, der Grundton und die Septime im verminderten Septimenakkord (wenn auf diesen der tonische Dreiklang folgt) etc.

Man nennt im engeren Sinn Leitton die große Septime einer Dur- oder Molltonleiter, wenn sie harmonischer Bestandteil des in den tonischen Dreiklang sich auflösenden Dominant- oder Dominantseptimenakkords sowie auch des verminderten Dreiklangs der siebenten Stufe und deren Umkehrungen ist. In diesem Falle fordert die große Septime die Oktave zur Auflösung. [Riewe Handwörterbuch 1879, 146]