Musiklexikon: Was bedeutet Etüde?

Etude (1865)

Etude [Etüde]. Der eigentlichen Bestimmung nach ein zu technischen Übungszwecken bestimmter Tonsatz. Hauptsächlich wird darin eine Figur, Passage etc. in möglichst verschiedenen Wendungen durchgeführt, damit der Studierende sie in allen Lagen vollkommen frei beherrschen lerne. In größeren Etüdensammlungen werden dann wesentliche, in den Kunstwerken selbst nur zerstreut vorkommende Eigentümlichkeiten der Technik des Instrumentes, wofür sie geschrieben sind, zusammengefasst und nach gewissen Entwicklungsregeln der Fertigkeit, vom Leichteren zum Schwierigeren fortschreitend geordnet. Neben Etüden, die nur Ausbildung der Fingerfertigkeit beabsichtigen, gibt es deren auch für den Vortrag (Vortragsetüden), und indem solche Stücke bis zu den bedeutendsten Schwierigkeiten steigen und, von guten Tonsetzern gearbeitet, mitunter musikalischen Gehalt haben, dienen sie denn auch den Virtuosen zur Entfaltung ihrer Bravour in Musikunterhaltungen und Konzerten (Konzertetüde). Zu dieser Art gehören unter anderen auch Schumanns symphonische Etüden, Studien über ein gegebenes Thema, sowohl hinsichtlich des Tonsatzes selbst, als auch der Technik und des Vortrages in einem höheren Sinne. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 289f]

Etüde (1882)

Etüde (französisch: Étude), eigentlich identisch mit "Studie"; doch verbindet man heute [um 1880] mit dem Wort Etüde speziell den Begriff des technischen Übungsstücks, sei es für die allerersten Anfänge im Spiel eines Instruments oder für die höchste Ausbildung der Virtuosität. Allerdings ist ein Zweig der Etüdenliteratur für den öffentlichen Vortrag berechnet und daher inhaltlich bedeutungsvoller gestaltet (Konzertetüde), doch bleibt auch bei diesem das Charakteristikum eine Anhäufung technischer Schwierigkeiten.

Gewöhnlich führt die Etüde ein technisches Motiv durch (Oktaven-, Terzen-Gänge, Sprünge, Staccato, Ablösen der Hände etc.) oder doch eine kleine Anzahl verwandter. Indes sind manche Etüden auch mit mehreren Themen gearbeitet, indem das gangartige erste durch ein mehr melodisches zweites abgelöst wird. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 248]