Einklang (1873)

Einklang (griech.: Homophonos, latein.: Unisonus und Aequisonus), die reine Prime, nennt man die vollkommene Übereinstimmung zweier Töne von gleicher Höhe und Tiefe. Nach mathematischer Erklärung würde es heißen: Zwei Töne von gleicher Größe, im Verhältnis 1:1, erzeugt von zwei Tonkörpern, die in einer Zeiteinheit eine gleiche Anzahl Schwingungen vollbringen, wozu an Saiten gleiche Länge, Schwere und Spannung erforderlich sind (siehe Klang), rufen den Einklang hervor.

Wenngleich Tonidentität und nicht Tonzwischenraum, wird der Einklang oder die vollkommene (reine) Prime im harmonischen Gebrauch doch als Intervall genommen, auch von den alten Musikschriftstellern für eine Konsonanz, mithin für ein Intervall, ja sogar für den Quell und Ursprung aller Konsonanzen ("quem dicunt fontem et originem omnium concordantiarum" sagt Tinctoris) erklärt. Tinctoris definiert dementsprechend den Einklang: "Est concordantia ex mixtura duarum vocum in uno et eodem loco positarum effecta" und Gaudentius: "Homophoni sunt, qui nec gravitate, nec acumine inter se differunt." Die Oktave als Schwingungsverhältnis 2:1 erscheint durch Halbierung der Saite des Einklangs als seine doppelte Tongröße, zu ihm wie das Doppelte zum Einfachen sich verhaltend, wird daher auch häufig an seine Stelle gesetzt oder durch ihn vertreten, oder verdoppelt ihn. Denn beim vierstimmigen Gebrauch der Dreiklänge muss ein Intervall derselben verdoppelt werden, was dann ebensowohl in der Oktave als im Einklang geschehen kann, daher auch beide, Einklang und Oktave, hinsichtlich ihrer Fortschreitung denselben Regeln unterworfen sind, so dass beispielsweise in zwei verschiedenen Stimmen eines Tonsatzes ebenso wenig zwei Einklänge wie zwei Oktaven in Parallelbewegung unmittelbar aufeinander folgen dürfen. Siehe Fortschreitung der Intervalle. Daher stammt denn auch die Annahme, der Einklang sei ein Intervall. Der Umstand, dass seine Glieder von Instrumenten oder Stimmen von verschiedener Klangfarbe ausgeführt, deshalb als Klangverschiedenheit erscheinen können, kommt dabei gar nicht in Betracht, denn die Klangfarbe hat mit der Tongröße gar nichts zu schaffen, das c1 auf der Klarinette und dem Violoncello oder Fagott bleibt ein und dasselbe Tonverhältnis. Vergleiche auch Zarlino, Opere (1589) I. 183 und 193. Aber die vollkommene Prime kommt in Theorie und Praxis jeden Augenblick in solche Verbindung mit den Intervallen, dass man sie in solchen Fällen wenigstens als wirkliches Intervall notgedrungen gelten lassen muss. Der wichtigste Grund dafür ist eben der bereits angeführte, dass ihre beiden Töne, zwar von einerlei Größe, doch in zwei verschiedenen Stimmen ebenso gut wie die Oktave als Haupttöne einer Melodie oder Harmonie gebraucht werden können, wobei denn jedes ihrer beiden Glieder seinen selbständigen Fortgang nehmen muss.

Über die durch Erweiterung der vollkommenen Prime um einen halben Ton entstehende übermäßige Prime sehe man den Artikel Prime. [Mendel Musikalisches Lexikon 1873, 337f]