Diesis, Dièse (1882)

Diesis (griech.; ital. Diesi, franz. Dièze, Dièse), so viel wie Kreuz ♯. Pythagoras nannte Diesis den Überschuss der Quarte über zwei Ganztöne, d. h. den nachmals Limma genannten Pythagoreischen Halbton 256:243; sodann erhielten die Pykna (kleinen Intervalle) des enharmonischen Geschlechts den Namen Diesis.

Das 15. Jahrhundert machte mit seinen humanistischen Bestrebungen auch die längst erstorbene antike Musiktheorie wieder lebendig, natürlich auf seine Art. Die Diesis lebte als Viertelston wieder auf, und man versuchte hinter das Geheimnis der Wunderwirkung der antiken Musik zu kommen durch Einführung vielfacher Tonhöhenunterschiede mit Hilfe der Diesis, konstruierte Instrumente mit besonderen Tasten für die Viertelstöne etc. Als der Wahn verrauscht war, blieb der Name Diesis für das ♯.

Ganz falsch ist jedoch die Annahme, dass das ♯ selbst aus dieser Zeit stamme. Das ♯ findet sich vielmehr in seiner heutigen Gestalt und Bedeutung schon im 13. Jahrhundert; es hieß aber ohne Unterschied B quadratum, wenn es ein vorausgegangenes ♭ auflöste (Auflösungszeichen), und wenn es einen Stammton erhöhte. Das 15. Jahrhundert brachte nur den Namen Diesis auf für das ♯ in der Bedeutung des Erhöhungszeichens, während dasselbe als Auflösungszeichen (♮) den Namen b quadratum (Quadrat ♮, franz. bécarre) behielt. Die strenge Unterscheidung der Gestalt für beide Bedeutungen ist [1882] noch nicht 200 Jahre alt. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 204]