Musiklexikon: Was bedeutet Capriccio?

Capriccio, Caprice (1840)

Capriccio, Caprice (Laune, Grille), freie Fantasie, ein launenhaftes, willkürlich scheinendes Kunstwerk, in welchem der Komponist, was Plan, Ausführung und Gedankenfolge anlangt, sich mehr seiner Laune als der strengen Ordnung und Form einer bestimmten Gattung überlässt. Diese freiere Form lässt sich zweckmäßig bei Übungsstücken anwenden, und dann besteht das Capriccio aus einer gewissen figurierten Notenfolge, die auf eine oder die andere Art moduliert ist.

Locatelli hat sich durch seine Capricen berühmt gemacht. Schon Adam behauptet, dem weiblichen Geschlecht verdanke das Capriccio seinen Ursprung; drum auch wohl sagt Mattheson in seinem vollkommenen Kapellmeister: "Je wunderlicher und außerordentlicher es ist, desto mehr verdient es seinen Namen." [Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 60]

Capriccio, Caprice (1882)

Capriccio (ital., spr. -prittscho, franz. Caprice, "Laune", "Grille") bezeichnet als Name eines Tonstücks nicht eine bestimmte Form, sondern deutet nur an, dass dasselbe rhythmisch pikant, überhaupt reich an originellen, überraschenden Wendungen ist. Das Capriccio ist daher vom Scherzo nicht zu unterscheiden; Stücke wie das B-moll-Scherzo von Chopin würden mit gleichem Recht als Capricci bezeichnet werden. A capriccio, so viel wie ad libitum (nach Belieben, mit freiem, pointiertem Vortrag). [Riemann Musik-Lexikon 1882, 147]

Capriccio, Caprice (1802)

Capriccio, Caprice. Ein Tonstück, bei welchem sich der Komponist nicht an die bei den gewöhnlichen Tonstücken eingeführten Formen und Tonausweichungen bindet, sondern sich mehr der soeben in seiner Fantasie herrschenden Laune als einem überdachten Plane überlässt. Das Capriccio hat daher nicht immer den Ausdruck einer einzigen schon bestimmten Empfindung zum Gegenstande.

Hieraus muss man aber nicht folgern wollen, dass ein solches Tonstück aus allenthalben zusammengerafften Gliedern bestehen könne und weder an Zusammenhang noch Ordnung gebunden sei. Es unterscheidet sich nur von den gewöhnlichen Tonstücken durch seine freiere Form, durch weniger durchgehaltenen Charakter und durch ein lockereres Aneinanderreihen der Gedanken.

Man gibt den Namen Capriccio auch solchen Tonstücken, die bloß die Privatübung gewisser Notenfiguren oder Passagen auf diesem oder jenem Instrumente zur Absicht haben. Weil in einem solchen Tonstücke die dazu gewählte Notenfigur oder Passage notwendig in sehr viele Arten von Wendungen gebracht werden muss, wenn das Ganze zusammenhängend sein soll, so verschafft die Übung desselben besonders dem angehenden Tonkünstler den Vorteil, dass er die gewählte Notenfigur mit den mehresten ihrer Modifikationen auf einmal mit Fertigkeit und Rundheit vortragen lernt.

Ehedem bezeichnete Capriccio auch eine für die Klaviaturinstrumente bestimmte fugenartige Komposition über einen lebhaften Hauptsatz, der nicht streng nach den Regeln der Fuge und des Wiederschlages ausgeführt wurde. [Koch Musikalisches Lexikon 1802, 305f]

Capriccio, Caprice (1732)

Capriccio (ital.) Caprice (gall.) subitus, fortuitus animi impetus (lat.) ist eben das, was die Fantaisie und Boutade, darin einer seinem Sinn folget, und nach seiner Caprice etwas hinsetzet oder herspielet, welches jedoch manchesmal weit artiger zu hören ist, als was reguliertes und studiertes: wenn es aus freiem Geiste kommt. […]

Mr. Brossards Beschreibung lautet folgendermaßen: "es sei Capricio [sic] ein solches Stück, worin der Komponist, ohne sich an eine gewisse Anzahl Takte, Takt-Art oder aber vorher überlegten Entwurf zu binden, der Hitze seines Naturels den freien Lauf lasse."

Kurz: ein Einfall, worauf vorher nicht meditiert worden. Daher werden auch die vors Klavier gesetzte aber nicht sonderlich ausgearbeitete Fugen also tituliret. [Walther Musicalisches Lexicon 1732, 141]