Authentisch (echt oder sebstständig) nannte man die Oktavgattungen der Kirchentöne, wenn ihr Ambitus vom Grundton zur Oktave sich erstreckte. Zur Zeit des Ambrosius im 4. Jahrhundert soll man diejenigen vier Tonarten im Gebrauch gehabt haben, welche, von den Grundtönen d, e, f und g ausgehend, nur aus den diatonischen Intervallen unserer C-Dur-Tonart bestanden und hinsichtlich der Tonfolge nichts anderes waren als die phrygische, dorische, hypolydische und hypophrygische (ionische) Oktavgattungen der Griechen, wenn auch ihr inneres Wesen durch ihre andere Bestimmung in der christlichen Kirche alsbald ein ganz anderes wurde (siehe Tonart).
Unter Gregor d. Gr. soll man angefangen haben, den Ambitus dieser Tonarten nicht nur vom Grundton zur Oktav, sondern auch von der Unterquart zur Oberquint auszuüben, woraus vier neue, von den alten abgeleitete Nebentöne entstanden. Jene alten Ambrosianischen Tonarten aber nannte man die authentischen, zum Unterschiede von den abgeleiteten Nebentönen, welche plagalische Töne benannt wurden. Auch die erst später in allgemeinen Gebrauch gekommene äolische und ionische Tonart (jene auf A, diese auf C) unterschied man, wie die Kirchentöne, in authentisch und plagalisch, je nachdem sie auf harmonischer oder arithmetischer Teilung der Oktav beruhten. Dem authentischen Ton nämlich liegt die harmonische Oktavteilung zu Grunde, welche die Quint unten und die Quart oben oder die Quint als medium harmonicum ergibt: C G c; der plagalischen hingegen die arithmetische Oktavteilung, aus welcher das umgekehrte Verhältnis erfolgt, nämlich die Quart liegt unten und die Quint darüber, oder die Quart ist medium arithmeticum der Oktav: G C g (siehe Teilung der Verhältnisse).
Der authentische Haupt- und sein plagalischer Nebenton stehen in demselben Verhältnis zueinander, wie der Dux und Comes in der Fuge, zu deren besonderer Einrichtung sie späterhin auch Veranlassung wurden. [Dommer Musikalisches Lexicon 1865, 87f]