Musiklexikon: Was bedeutet Alla breve?

Alla breve, à la Brève (1840)

Alla breve, à la Brève, nach kurzer Art, (Zweizweiteltakt); eine aus zwei Hauptzeiten bestehende, vorzüglich in Kirchenmusik vorkommende Taktart, deren Hauptzeiten oder Taktteile, des ernsten Vortrags wegen, durch halbe Noten oder sogenannte halbe Schläge bezeichnet sind, die aber ebenso schnell genommen werden, als in dem Zweivierteltakt die Viertel. Man nennt diese Taktart den kleinen Allabrevetakt zur Unterscheidung von dem großen (Zweieinseltact [sic]), in welchem die beiden Taktteile durch semibreves, d. h. ganze Noten, vorgestellt werden. Die verschiedenen Bezeichnungen des großen [links], des kleinen [rechts]:

alla breve (Gathy 1840)

Taktzeichen: großer versus kleiner Alla-Breve-Takt

[Gathy Encyklopädie Musik-Wissenschaft 1840, 11]

Alla Breve (1870)

Alla Breve (ital.), wörtlich kurz oder kürzer (noch einmal so kurz), ist eine zweiteilige Taktart, wie der Zweivierteltakt, aus einer Thesis und einer Arsis bestehend und von denselben sich nur durch die Größe seiner Note unterscheidend. Denn während die beiden Taktglieder im letzteren aus Viertel-, bestehen sie im ersteren aus halben Noten. Diese halben Noten jedoch werden doppelt so schnell genommen, als sie genommen werden müssten, wenn der Alla breve aus vier Vierteln bestünde, und werden eben so vorgetragen, als wenn sie Viertelnoten wären, dem entsprechend natürlich die ganzen Noten, als wenn sie halbe wären. Das Taktzeichen dieser Taktart ist beliebig folgendes:

alla breve (Mendel/Reissmann 1870)

Taktzeichen für "alla breve"

Wiewohl er übrigens fast ausschließlich bei dem Zweizweiteltakt (2/2) gefunden wird, ist er doch mit diesem nicht ganz identisch. Das erhellt schon daraus, dass man auch den 4/2-Takt mit Alla breve bezeichnet findet, so in der bekannten Fuge "Christus hat uns ein Vorbild gelassen" in Grauns "Tod Jesu". Gleichbedeutend als Bezeichnung der Zeitbewegung ist die Vorschrift Alla capella, welche anzeigt, dass zwar die Notenfiguren ihrer Größe nach ebendieselben sind wie beim Choralgesang, dass sie aber gleichwohl nicht choralmäßig, d. h. wie sie die Versammlung in der Kirche singt, sondern bewegter, wie es in den Kapellen gewöhnlich der Fall ist, vorgetragen werden sollen. Diese Vorschrift empfiehlt sich, wo man den Ausdruck wirklich nur als eine Abkürzung der Notenschrift (Viertel statt Achtel usw.) gebraucht.

Der Name Alla breve entstammt jener Notengattung, welche den Namen Brevis führte und zwar der diminuierten Brevis. In der Mensuralmusik galt die Brevis imperfecta nach dem sogenannten Integer valor zwei Taktschläge oder Semibreves, das heißt zwei ganze Taktnoten nach unserer heutigen Art; unter dem Zeichen der einfachen Diminution jedoch nur einen Schlag, an Zeitdauer einer Semibrevis (oder zweien Minimae) gleichkommend. Die ganze Bewegung musste also in verdoppelte Schnelligkeit geraten, da jede Notengattung die Hälfte ihres Wertes einbüßte. Als im Laufe der Zeit anstatt der Brevis die Semibrevis, die jetzige ganze Takt- oder 1/4-Note, als Takteinheit angenommen, wurde die alte Semibrevis dadurch zur Minima (zur halben Note), die Minima zum Viertel degradiert. Wenn vordem die Verminderung der Zeitdauer unter dem Zeichen der Diminutio simplex, Allabreve-Taktzeichen, der Brevis als Takteinheit gegolten hatte, so galt sie nunmehr unter demselben Zeichen der Semibrevis; die Wertverminderung der Noten folgte natürlich gleichen Grundsätzen. Dass sich diese Taktart auch noch neuerdings durch zwei ganze Noten, statt halber, dargestellt findet, kann kaum auffallen. Gegenwärtig hat sich der ursprüngliche ganz bestimmte Charakter des Alla breve in ziemlich abweichende Modalitäten gefügt. Während er früher ausschließlich der Kirchenmusik zugehörte und hier in Fugen und im fugierten Stile, dem er einen charakteristischen Stempel aufdrückte, mit Vorliebe verwendet wurde, findet er sich jetzt häufig in Werken der Kammermusik und in anderen freien Formen und zwar, neuerer Schreibweise gemäß, mit vorgeschriebenem schnellen Tempo. Letzteres war in alter Zeit ganz überflüssig, denn das Alla breve an und für sich war im Anschluss an die alte Messungsart der Noten in der Mensuralmusik bereits bestimmte Tempobezeichnung. Daneben hatte er auch seinen eigentümlichen Stil. Mäßige Geschwindigkeit und ein ernster, einfacher und erhabener Ausdruck gingen Hand in Hand. Um den letzteren und den fest markierten Rhythmus zu wahren, sollten kürzere Notenwerte als Viertel nicht vorkommen.

Die gleiche Bedeutung wie das Alla breve, nur mit dem Begriff der verdoppelten Bewegung, hat das Alla semibreve oder das sogenannte halbe Alla breve, fälschlich auch oft Semi-Alla-breve genannt. Wenn im Alla-breve-Takt kleinere Noten als Viertel-, so waren im Alla semibreve kleinere als Achtelnoten, die ja an und für sich schon die Geltung von Sechzehnteilen haben, wenigstens in andauernder Verwendung verpönt, damit die Würde des Tonstücks nicht unter sich überstürzenden Passagen litte. [Mendel Musikalisches Lexikon 1870, 162f]

Allabreve-Takt (1882)

großer Allabreve-Takt (Riemann)

Zeichen für großen Alla-Breve-Takt nach Riemann

Allabreve-Takt ist ein 4/4-Takt, bei dem nicht die Viertel, sondern die halben geschlagen werden; er wird gefordert durch das Zeichen Allabreve-Taktzeichen. Der sogenannte große Allabreve-Takt, vorgezeichnet durch C|Ɔ [siehe Abb.] oder 2/1, zählt ebenfalls nach Halben, umfasst aber deren vier. Vergleiche Brevis. [Riemann Musik-Lexikon 1882, 20]

Allabreve, a la Breve (1732)

Allabreve oder a la Breve war bei den alten Italienern diejenige Taktart, in welcher eine Brevis oder 2schlägige Note […] halb im Niederschlagen und halb im Aufheben absolviert oder an ihre Stelle zwo Semibreves oder vier Minimae (nämlich in tactu aequali) gebrauchet wurden. Die Endigung dieses Takts geschah allezeit cum Tempore, d. i. mit einer Brevi oder noch längern Note, welche beim Niederschlagen der Hand anfing und beim Aufheben derselben sich endigte - und nicht in Tempore. Ein durchschnittener halber Circul [Kreis, s. u.] zeigte diesen Takt, welcher sehr geschwinde traktiert wurde, an, und hatte nur bei Motetten statt. […] Die auf diesen Takt gesetzte Compositiones waren voller Syncopationen, Ligaturen, aneinander hangenden Fugen und hatten keine kleinere Note als Viertel - und zwar sehr sparsam. [Walther Musicalisches Lexicon 1732, 26f]

Alla breve (1802)

Alla breve, nach kurzer Art. Man bedient sich dieses Ausdrucks bei solchen Sätzen, bei welchen die beiden Hauptzeiten der geraden Taktart, wegen des ernsthaften Vortrages, mit welchem sie ausgeführt werden sollen, nicht durch Viertelnoten, sondern durch weiße Noten oder sogenannte halbe Schläge vorgestellt werden. Der Allabrevetakt besteht also aus einer ganzen oder aus zwei halben Taktnoten, die aber ebenso geschwinde vorgetragen werden, als wenn es zwei Viertel wären.

Weil nun die durch den Allabrevetakt beabsichtigte Vortragsart in der Fuge und in fugenartigen Sätzen notwendig ist, so bedient man sich besonders in der Kirchenmusik des Ausdruckes Alla breve als Überschrift solcher Tonstücke, die in der fugenartigen Schreibart gesetzt sind. Das Zeichen dieser Taktart, die man auch den Zweizweiteltakt nennt, ist entweder die Zahl 2 oder das große C, dem man, zum Unterschiede von dem Viervierteltakte, einen Strich beifügt:

Symbole für Alla breve

Man findet diese Taktart auch in zusammengesetzter Form als Vierzweiteltakt mit eben demselben Zeichen gebraucht, wie z. B. in der bekannten Fuge über die Worte "Christus hat uns ein Vorbild gelassen ..." in [Carl Heinrich] Grauns Oratorium Der Tod Jesu.

Weil in dem Zweizweiteltakte die beiden Taktteile durch weiße Noten vorgestellt sind, so müssen notwendig die Zweitelnoten in eben der Geschwindigkeit vorgetragen werden, in welcher die Viertel ausgeübt werden müssten, wenn die beiden Hauptteile des Taktes durch Viertelnoten vorgestellt würden. Dieser Umstand veranlasst, dass man den Allabrevetakt oft als einen solchen beschreibt, in welchem die Noten noch einmal so geschwinde vorgetragen werden müssen, als in dem gewöhnlichen Zweivierteltakte. Siehe Takt. [Koch Musikalisches Lexikon 1802, 129]

C - das durchschnittene C (1732)

C barré, coupé, taillé, tranché (gall.), C tagliato (ital.) - das durchschnittene C, oder vielmehr der durchschnittene oder voneinander gespaltene halbe Circul [Kreis], zeiget einen geschwinden und gleichen [geraden] Takt an, und wird sowohl beim Allabreve oder da Capella in Kirchen-Sachen, als außer diesen bei Fugen, Bourréen, Gavotten u. d. g. gebraucht; da aber immer eine Gattung geschwinder als die andere traktiert wird. [Vergleiche hierzu: O (Kreis).] [Walther Musicalisches Lexicon 1732, 123.