Aliquottöne (1879)
Aliquottöne, Klänge, Nebenklänge, Obertöne. Es steht akustisch und erfahrungsgemäß fest, dass eine gehörig gespannte Saite von gegebener Länge außer ihrem eigentümlichen Ton, dem Grundton, noch eine Reihe andrer Töne, deren Entfernungen sich mehr und mehr verringern, mit erklingen lässt. Diese Töne nennt man Aliquottöne oder Nebentöne, auch Beitöne und akustische Töne. Der Sitz derselben sind die Schwingungsknoten, d. h. regelmäßig verteilte Stellen und Punkte der Saite, wo eine neue schnellere Schwingung irgendeiner Abteilung derselben, neben der langsamen Schwingung der ganzen Saite, die Luft zugleich in andere und zwar geschwindere Schwingungen versetzt und dadurch die Aliquottöne hervorruft, so genannt, weil sie eben durch einen aliquoten oder genaueren Teil der Saite oder der Luftsäule bei Blasinstrumenten gebildet werden. Anfangs lassen sich dieselben in größeren Bruchteilen darstellen, später aber gehen sie in die kleinsten Bruchteile über und werden für unser Ohr vollkommen unvernehmbar.
Spannt man also eine Saite von gehöriger Länge so, dass sie das tiefe C angibt, so lässt sie folgende Aliquottöne mitklingen: erst die Oktave des Grundtons c, dann die darüber liegende Quinte g, abermals die höhere Oktave c', die darauffolgende Terz e', die Oktave der vorigen Quinte g, die nächste b, die kleine Septime von c, und dann in ununterbrochener Folge die Töne: c'' d'' e'' f'' g'' b'' h'' c'', welche letzteren jedoch nur bei besonders günstigen akustischen Bedingungen und sehr feinem Gehör wahrnehmbar sind.
Wichtig sind die Aliquottöne deshalb, weil die Natur durch sie auf den Terzenaufbau der Akkorde hinweist und die beiden Hauptakkorde, aus denen und nach denen alle übrigen Akkorde gebildet werden, den großen Dreiklang c-e-g und den Dominantakkord c-e-g-b, selbst angibt. [Riewe Handwörterbuch 1879, ]