Abenteuerlich (1807)

Abenteuerlich. So nennt man das Unnatürliche oder Übertriebene in dem Charakter der Größe oder die Überspannung des Großen und Wunderbaren. "Eine jede ästhetische Vollkommenheit (sagt [Johann August] Eberhard) hat ihre besondere Art von Fehlern zur Seite, denn sie wird bald durch Übertreibung, bald durch Mangel und Ohnmacht verfehlt. Also auch die Größe. Je nachdem man in dem Gemeinen das Natürliche zu finden glaubt und entweder sich diesem zu nähern oder davon zu entfernen sucht, wird man entweder platt oder schwülstig; platt, indem man in das Gemeine verfällt, das sich durch keine Schönheit auszeichnet und durch keine Art der Größe erhebt; schwülstig, indem man, um das Gemeine zu vermeiden, das Natürliche verfehlt." -

"Das Abenteuerliche ist die unnatürliche, der Schwulst die falsche Größe. Das erstere ist in den Bildern, den Handlungen, den Gesinnungen und den Empfindungen; das letzere beleidigt den Geschmack in dem Gedanken und dem Ausdrucke." (Siehe Eberhards Handbuch der Aesthetik. Th. I, S. 307.)

Wenn die Phantasie sich dem Großen allein, ohne Urteil der Vernunft, überlässt, und in ihrem gewaltsam gespannten Fluge sich aus den Schranken der Natur entfernt, so fällt sie in das Abenteuerliche.

Oft bedient man sich aber auch der Übertreibung der Größe zur Erweckung des Gefühls des Lächerlichen; denn das übertriebene Große, wenn es an kleinliche Gegenstände verwendet wird, ist bloß lächerlich, und wird daher eine Quelle für das Komische.

Weil die Musik keine bestimmten Bilder und Begriffe vor die Seele bringen, sondern bloß Gefühle erwecken kann, so versteht man in dieser Kunst unter dem Abenteuerlichen gemeiniglich nur die absichtlich angewandte Größe an kleinliche Gegenstände zur Erweckung des Gefühls des Komischen. So verwandelt sich z. B. in Hillers Liebe auf dem Lande die Melodie der Arie Der Gott der Herzen findet sein Reich …, die in der ernsthaften Oper von einem Helden gesungen, den Charakter des Großen behauptet hätte, in dem Munde des jungen und naiven Landmannes ins Komische. [Koch Handwörterbuch Musik 1807, 3f]