G-Schlüssel (1874)
G-Schlüssel (ital. chiave die sol) nennt man jedes im Anfange oder im Laufe der Aufzeichnung [Notierung] eines Tonstückes im Notensysteme vorkommende Zeichen, welches angibt, dass auf einer Linie desselben - gewöhnlich die zweite von unten - stets das g1 zu stellen ist. Dem jetzt in dieser Weise angewandten Zeichen [siehe nebenstehende Abb.] gibt man überall eine gleiche Form, deren Gestaltung sich nicht sofort durch sich selbst erklärt. Dasselbe ist wahrscheinlich nichts anderes, als eine allmählich aus dem Buchstaben g des deutschen Alphabets sich entwickelt habende Arabeske. G. Weber gibt in seiner allgemeinen Musiklehre die Entwicklung in folgender Art:
Jetzt erklärt man die Arabeske gewöhnlich in der Weise, dass der um die zweite Systemlinie kreisende Zug der notwendige, die Linie hervorhebensollende Teil des G-Schlüssels ist, während alle anderen Züge nur Verzierungen desselben sind.
Dieser Schlüssel wurde nach Erfindung der C-Schlüssel [siehe auch Diskantschlüssel] in Gebrauch genommen, um die höheren durch Instrumente zu gebenden Töne, in damaliger Zeit die der Violinen, in ähnlicher Weise, wie man die Stimmen notierte, d. h. innerhalb des Systems, aufzeichnen zu können. Diesem ersten Brauch entsprechend erhielt dieser Schlüssel auch den Namen Violinschlüssel und wurde in Frankreich auf die erste wie auch auf die zweite Linie gesetzt; dieser Name ist jetzt fast der vorherrschende. Ersterer Brauch blieb nur lokal, und man nannte deshalb auch den G-Schlüssel auf der ersten Linie den französischen Violin- oder G-Schlüssel. In neuerer Zeit ist derselbe ganz außer Gebrauch gekommen, und man kennt überall nur den Violin- oder G-Schlüssel als auf der zweiten Linie des Systems stehend.
Dieser G-Schlüssel hat sich bisher der ausgedehntesten Verbreitung vor allen anderen Schlüsseln in der musikalischen Notierungskunst zu erfreuen gehabt, die erst in neuester Zeit wieder etwas beschränkt worden ist. Zuvörderst notierte man alle Tongänge für Tonwerkzeuge [Musikinstrumente], die die in und über dem Bereich der Frauenstimmen liegenden Klänge vertreten, in demselben. Zu hochgelegene Töne, deren Aufzeichnung in diesem Schlüssel auch noch zu viel Nebenlinien [Hilfslinien] erfordern würden, wie z. B. die Klänge der Piccoloflöte, zeichnete man sogar um eine Oktave tiefer, und andere, deren Tonreich eigentlich eine Oktave tiefer zu notieren wäre, wie die der Guitarre, des Tenors, des Hornes u. A., eine Oktave höher, indem man es nicht für notwendig hielt, sich die eigentliche Tonhöhe klar zu machen, sondern das Tonreich des eben zu behandelnden Instrumentes ins Auge fasste. Hierdurch wurde Jedem das Lesen der im G-Schlüssel notierten Klänge viel geläufiger als der in anderen Schlüsseln verzeichneten. Und man notierte, um eine leichtere Darstellung zu ermöglichen, in einfachster Weise - C-Dur - auch Tongänge für Instrumente, deren Grundton nicht C war, wie z. B. für Klarinette, Hörner, Trompeten etc., über welche Notierungsart die Spezialartikel genauere Auskunft erteilen. Ja, man ging endlich so weit, dass man alle Klänge im G-Schlüssel aufzuzeichnen für vorteilhaft hielt, indem man die Anwendung von nur einem Schlüssel in der Kunst für ausreichend und vorteilhaft erachtete. Man findet, dieser Annahme entsprechend, manche Werke von Romberg und dessen Zeitgenossen in dieser Weise gedruckt.
Allgemeiner jedoch hat jetzt die Anschauung wieder Platz gegriffen, die Aufzeichnung [Notierung] der Klänge je nach ihrer wirklichen Höhe so viel als möglich sich zur Aufgabe zu machen, und ist dadurch die Anwendung des G-Schlüssels vielfach mehr eingeschränkt worden, was, wie in dem Artikel Schlüssel gezeigt, durchaus empfehlenswerter ist, als dilettantischen Gelüsten nach Vereinfachung nachzukommen, durch welche nur zu leicht einer zunehmenden Unklarheit der Tonverhältnisse im Tondenken Vorschub gleistet wird. [Mendel Musikalisches Lexikon 1874, 426f]