Harmonica (1874)
Harmonica (latein.) ist der Name eines Musikinstruments, das schon über hundert Jahre im abendländischen Musikkreise sich die Gunst vieler Musikverehrer erworben und erhalten hat. Den Namen erhielt dies Instrument durch seinen Erfinder, weil derselbe die einzelnen wie mehrere gleichzeitig erklingende Töne desselben in einer so innigen, angenehmen Weise die inneren menschlichen Gefühlsnerven erregend fand, wie die Klänge keines bis dahin bekannten anderen Tonwerkzeugs.
Veranlassung zur Erfindung der Harmonica gab das Glasspiel, das bereits im 17. Jahrhundert allgemeiner bekannt war. Wie eine in Ath. Kirchers "Phonurgia nova" von 1673 gegebene Abbildung und Beschreibung desselben beweist. Der Buchdrucker, Physiker, Philosoph und Staatsmann Benjamin Franklin hörte eines Tages, wie ältere Berichterstatter erzählen, einen Irländer, Puckeridge, in einem Wirtshause auf dem Glasspiel zur Unterhaltung der Anwesenden einige Melodien vortragen. Andere, wie Schilling in seinem musikalischen Lixikon, erzählen, dass nicht Puckeridge, welcher, nebenbei bemerkt, 1750 selbst samt seinem Glasspiel im großen Brande Londons seinen Untergang fand, die Anregung zu der Erfindung Franklins gegeben, sondern dass Delaval in London, der 1762 ein Glasspiel mit besonders dazu geeigneten ausgewählten Gläsern öffentlich hören ließ, der erste war, von dem Franklin ein derartiges Spiel vernahm. Noch Andere behaupten, ohne es jedoch nachzuweisen, dass Franklin gar nicht der Erfinder, sondern nur der Verbesserer der Harmonica gewesen sei. So viel ist aber gewiss, dass durch Franklin die Harmonica zuerst bekannt wurde und er dem Bau derselben eine besondere Sorgfalt zugewandt hat. […]
"Die Vorzüge dieses Instruments", schreibt Frankln selbst, "sind: seine Töne sind so sanft, dass sie mit keinem andern verglichen werden können; seine Töne können nach Belieben an- und abgeschwellt werden, indem man den Finger stärker oder schwächer auf die Gläser setzt; man kann sie nach Willkür aushalten, und wenn das Instrument einmal gestimmt ist, darf es nie wieder gestimmt werden. Zur Ehre Ihrer musikalischen Sprache habe ich von ihr den Namen dieses Instruments hergenommen und heiße es Harmonica." […]
Die Art der Tonerzeugung […] verleiht dem Klange der Harmonica, die in ihren Beitönen sich als denen der Menschenstimme sehr ähnlich ergibt, eine nervenerschütternde, den fabelhaften Sirenenklängen innewohnend gedachte ähnliche Gewalt, welche Gewalt dem Hörer einen andauernden Genuss derselben gesundheitsgefährlich macht. […] [Mendel Musikalisches Lexikon 1874, 533ff]